Dr. Holger Müller Preis 2018 an zwei Leipziger Wissenschaftler

14.03.2019

Esslingen. Für jüngste Erfolge in der Erforschung einer seltenen Erkrankung des peripheren Nervensystems erhalten Dr. rer. nat. Robert Fledrich und Dr. med. Ruth Martha Stassart von der Universität Leipzig den Dr. Holger Müller Preis 2018. In einer feierlichen Zeremonie wird der mit 5.000 Euro dotierte Preis am 14. März 2019 um 19 Uhr im Alten Rathaus in Esslingen verliehen. Die Schirmherrschaft hat Dr. Angela Zieger inne, Kuratorin der ZukunftsStiftung Heinz Weiler und Gattin von Esslingens Oberbürgermeister.

Forscher um Dr. rer. nat. Robert Fledrich (Institut für Anatomie der Universität Leipzig und Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin)und Dr. med. Ruth Martha Stassart (Oberärztin der Abteilung Neuropathologie der Universität Leipzig und Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin) haben eine mögliche Behandlung der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung, kurz CMT1A, entdeckt. Die Krankheit galt bislang als unheilbar.

Etwa 30.000 Patienten leiden in Deutschland an der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung. Sie ist die häufigste vererbliche Erkrankung des peripheren Nervensystems, gilt aber mit einer Häufigkeit von 1:5000 als seltene Erkrankung. Aufgrund eines Gendefektes (der Verdopplung des Gens für das periphere Myelinprotein „PMP22“)  entwickeln die be­trof­fen­en Patienten eine langsam fortschreitende Nervenschädigung, die zu Geh­schwie­rig­keiten bis hin zur Rollstuhlgebundenheit und zu Sensibilitätsstörungen wie Taub­heit, Kribbeln und Schmerzen führt. Die ersten Symptome können bereits im Kin­des­alter auftreten. Obwohl der zugrundeliegende Gendefekt der CMT1A Erkrankung bereits seit 25 Jahren bekannt ist, sind die Erkrankungsmechanismen nach wie vor wenig verstanden und therapeutische Optionen für Patienten bisher nicht verfügbar.

In ihrer aktuellen Forschungsarbeit fanden die Leipziger Wissenschaftler Dr. Fledrich und Dr. Stassart mit Hilfe von genetisch veränderten Nagetiermodellen heraus, dass die Gliazellen des peripheren Nervensystems, die Schwannzellen, in der CMT1A Erkrankung während der Ent­wick­lung einen Defekt des Fettstoffwechsels aufweisen. Schwannzellen ummanteln normalerweise die Nervenfasern mit einer fettreichen Isolationsschicht, dem Myelin, was die schnelle Weiterleitung elektrischer Impulse sicherstellt. In der CMT1A Erkrankung, so konnten die Wissenschaftler nun zeigen, ist die Myelinproduktion in Folge des defekten Fettstoffwechsels gestört, was zu einer Beeinträchtigung der Nervenfunktion führt. In Experimenten mit an CMT1A erkrankten Ratten konnten Fledrich und Stassart nachweisen, dass sich die Myelinproduktion der Schwannzellen durch Verabreichung von Lecithin verbessern lässt. Lecithin ist ein Nahrungsergänzungsmittel und wird aus Soja oder Eigelb gewonnen. Die Wissen­schaftler arbeiten nun daran, die neu gewonnenen Erkenntnisse aus dem CMT1A Tiermodell für Patienten nutzbar zu machen. Die Ergebnisse der Studie sind sehr vielversprechend und lassen sich möglicherweise auch auf andere ähnliche Er­krankungen übertragen.

Dr. rer. nat. Robert Fledrich und Dr. med. Ruth Martha Stassart werden für die Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse im führenden Fachjournal Nature Communications mit dem Dr. Holger Müller Preis 2018 ausgezeichnet.

Der Dr. Holger Müller Preis für eine Publikation auf dem Gebiet der seltenen Erkran­kungen wird bereits zum achten Mal verliehen. In Kooperation mit der Dr. Holger Müller Stiftung lobt die Care-for-Rare Foundation seit 2011 jährlich den mit 5.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis aus, der einzelne Wissenschaftler oder eine Gruppe, die im jeweiligen Vorjahr einen wegweisenden wissenschaftlichen Beitrag zu seltenen Erkrankungen veröffentlicht haben, auszeichnet. So sollen Wissenschaftler ermutigt werden, sich der dringend nötigen Erforschung seltener Krankheiten zu widmen.

Impressionen der Preisverleihung